Die Casse Déserte ist eine der berühmtesten Straßen in der Welt des Radsports und die Heimat des modernen Sporthelden.
Man findet ihn am südlichen Anstieg zum Gipfel des Col d'Izoard. Nach einer Reihe steiler Anstiege, die von engen Haarnadelkurven unterbrochen werden, gelangt man in eine prähistorische Landschaft aus bröckelndem Gestein, instabilem, lebensgefährlichem Gelände und extremer Hitze. Der Berg sieht aus, als wäre er mit einer großen Axt in der Mitte gespalten worden. Sein Inneres quillt wie eine offene Wunde hervor und ist für alle sichtbar.
Die Tour de France wurde 1903 von Henri Desgrange, dem Herausgeber der Zeitung L'Auto, ins Leben gerufen, um die schwächelnden Verkaufszahlen der Zeitung anzukurbeln. Sie war beim französischen Publikum sofort ein Erfolg.
Die erste Bergetappe wurde 1920 in den Pyrenäen eingeführt und umfasste den Col du Tourmalet und den Col d'Aubisque. 1936 wurden in Frankreich jährlich bezahlte Urlaubstage eingeführt und Ausflüge in die Berge zum Anschauen von Touretappen wurden populär.
Dadurch konnte die Leserzahl der Zeitung deutlich gesteigert werden und Le Tour etablierte sich als jährliches Sport- und Kulturereignis.
L'Auto brauchte einen ständigen Nachschub an Radsporthelden, um die Verkaufszahlen hoch zu halten. Helden verkaufen Zeitungen. Die Berge boten unseren Radsporthelden fast unüberwindbare Hindernisse und die ideale Kulisse für ihren heldenhaften Kampf.
Auftritt der Fotografen.
Dies sind die Tage, in denen „ein Bild mehr sagt als tausend Worte“. Vor dem Fernsehen und den Mainstream-Medien waren Bilder Gold wert. Es wurde nichts unversucht gelassen, um dramatische Bilder auf die Titelseite der Erstausgaben zu bringen.
Anders als viele andere entlegene Bergtouren ist der Col d'Izoard von der nahegelegenen Stadt Briançon aus erreichbar. Das bedeutete, dass man einfach aus dem Hotelbett aufstehen, den Berg hinaufsteigen und sich bereit machen konnte, um unsere Helden zu fotografieren, wie sie auftauchten, als ob sie aus den Eingeweiden der prähistorischen Erde gekommen wären. Eingehüllt in den Staub, der vom Gefolge der Tour aufgewirbelt wurde, die Ersatzreifen wie Maschinengewehrgurte über beide Schultern geschnallt, kämpften sie sich nach oben zum Ruhm und hoffentlich zu einem heißen Bad. Die modernen Sporthelden wurden hier, für den öffentlichen Konsum, an den prähistorischen Hängen der Casse Déserte geschaffen. Eine Tradition, die bis heute fortgeführt wird.
Fausto Coppo, Gino Bartali, Louison Bobet, Jacques Anquetil, Bernard Thévenet, Eddy Merckx. Sie alle traten in die Fußstapfen früher Sporthelden und machten sich auf den Hängen der Casse Déserte einen Namen.
Die Straßen wurden besser. Die Menschenmengen wurden größer. Das Fernsehen hielt Einzug und die Fotografie wurde in Farbe. Die Ausrüstung wurde besser und die Zeiten auch, aber der Col d'Izoard ist immer noch ein gewaltiger Anstieg.
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